Rethra

                   

Der Streit um Rethra (oder: die mühsamen Forschungen eines Unermüdlichen)

Wenn Tollense-See und Lieps erzählen könnten!
Es ist die unendliche noch immer nicht restlos erforschte Geschichte von Zeiten und Sippen, Wanderungen und Wandlungen, Nachbarschaft und Kriegen und vom steten Wechsel. Bald nach dem Rückgang der Gletscher kamen mit Pflanzen und Tieren auch die Menschen in die jungfräuliche Landschaft und begannen zu siedeln. Semnonen, kenntlich an ihren Hockergräberkulturen, vorgermanische Stämme mit Hünen– und Hügelgräbern aus der Bronzezeit, später burgundisch-vandalische Horden, die im weiten Umkreis durch Grubenwohnungen und Brandgrubengräber nachweisbar sind, sie alle haben in diesem von tiefen, schluchtenreichen Wäldern und stillen Seen gezeichneten, nicht selten nebelversteckten weiten Land gelebt.
Die Burgunden und Vandalen zogen unter dem Druck der Goten um 200 nach Christus gleichsam als Vorläufer der Völkerwanderung nach Westen und entvölkerten so das Land. Was geschah nach ihrem Wegzuge in diesem für Besiedlungen so verlockenden, wild– und fischreichen Raum mit seinen tiefen Eichenwäldern, wo noch der Urstier lebte und gewaltige Hirsche und Sauen zogen, mit seinen zahllosen größeren und kleineren Seen, wo Hechte raubten, daß die Angelhaken 5 cm im Durchmesser haben mußten, um sie zu fangen?
Die nebelschwangeren Wälder und Sümpfe zwischen den Endmoränenhügeln drohten geheimnisvoll, so daß die bisher hier lebenden germanischen Sippen sich lieber auf den Höhen angesiedelt hatten, wo ungehinderter freier Blick ihren Siedlungen besseren Schutz bot. Warum kamen erst Jahrhunderte später, im 6. und 7. Jahrhundert, neue, jetzt slawische Sippen und Horden, um die weitgehend freigewordenen Räume allmählich in Besitz zu nehmen? Hatten sie mit den Nachbarn so schlechte Erfahrungen gemacht, wie sie es Jahrhunderte später erneut erleben sollten?
Pommeranische und wendische Sippen und Gruppen zogen her und suchten sich nun, vorsichtshalber im Schutz der Seen und Sümpfe, ihre Behausungen, neben und mit den Resten der germanischen Bevölkerung. Obotriten und Wilzen, Moritzaner und Liutizen, Cirzipaner und die der Flußlandschaft den Namen gebenden Tollenser samt den Redariern und zahlreiche andere begannen seßhaft zu werden und brachten zugleich ihre Götter mit. Swarosic, der Sohn des Sonnengottes, wurde ihre verehrte, höchste Gottheit, und sie bauten ihr bald ein großes Heiligtum, von dem später die Chronisten schauervoll berichten sollten. Diese große, immer bedeutendere, zentrale Orakel– und Opferstätte wurde bald zum Mittelpunkt wachsender westslawischer Macht und zum Bollwerk gegen die Christianisierungsversuche deutscher Kaiser und Könige, Fürsten und Bischöfe. Rethra mit seinen Priestern und den slawischen Fürsten wurde zum Sammelpunkt slawischen Widerstandes und pommeranisch-wendischer Ausdehnung und einte lange Zeit die ansonsten untereinander häufig zerstrittenen slawischen Stämme. Da trugen die Slawen dann als Antwort auf deutschen Druck den Krieg bis Hamburg und Lübeck hinüber und zerstörten die frühen Städte.
Doch muß mit einer immer wieder vorgetragenen Meinung gebrochen werden, die teils aus mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Ereignisse, teils aus einer neuerdings zu beobachtenden Liebedienerei gegenüber Polen zu hören wie zu lesen ist. Es geht um die Christianisierung, andernorts auch als Kolonisation, in der DDR gern als „Ostexpansion“ benannt.
Nicht die Polen waren es, die z.B. Lübeck und Hamburg niedergebrannt hatten,  sondern die im Lutizenbund vereinigten pommeranischen und wendischen Slawen (darunter die Wilzen, aus der Gegend des heutigen Walcz / Deutsch Krone kommend) unter Führung der Priester von Rethra haben den Brand dorthin getragen. Aber nicht selten holten sich die Redarier und Obotriten auch die Dänen und Deutschen zu Hilfe, wenn beispielsweise die Polen versuchten, ihren Machtbereich nach Norden und Westen auszudehnen und, selbst inzwischen Christen, die an ihren Grenzen ansässigen heidnischen Slawen nicht nur zu unterwerfen, sondern auch auszutilgen.
Der Kirche und erstarkenden Zentralgewalt im Westen wurde das starke Slawen-Heidentum zwischen Elbe und Oder ein Greuel und sie unternahmen im Namen Gottes immer erneute Versuche, dieses „Heidentum“ zu beseitigen. Die drei Ottonen mit ihren Vasallen ließen nicht nach. (Foto Vor Sonnenaufgang)
Das brachte 1066 Bischof Johannes von Meklenburg den Tod nach schlimmer Folter.
1068 wollte Bischof Burghard von Halberstadt seinen Glaubensbruder rächen, erstürmte Rethra, nahm sich das heilige weiße Roß des Tempels und ritt darauf nach Hause. Doch Rethra hatte auch er nicht beseitigen können. Erst 1125 wurde das große slawische Heiligtum durch den Sachsenherzog Lothar erobert, niedergebrannt und damit die Macht der Priester im westslawischen Raum für immer beendet.
Als durch die Zerstörung Rethras die Macht der slawischen Priester endgültig gebrochen war und die slawischen Fürsten den Lehnseid leisteten, konnte Otto von Bamberg nach dem vergeblichen Versuch 1124 endlich 1128 weite Teile des Slawenlandes unter das Kreuz bringen.
Was die Polen in ihren dauernden Versuchen, die heidnischen Pommeranen zu unterjochen, nicht erreicht hatten, erreichte das Christentum mit der Militärmacht seiner Fürsten bis weit nach Pommern hinein und bis Danzig.
200 Jahre später wußte der Historiker v. Kirchberg schon nicht mehr, wo Rethra gelegen hatte, obwohl es 1147 beim Slawenkreuzzug noch bekannt war.
Immerhin hatte sich der See mit der Fischerinsel und seinen Ufern durch mehrfachen Wasseranstieg so verändert, daß spätere „Entdecker“ damit zunehmend Schwierigkeiten bekamen. Sie konnten den Text des Thietmar von Merseburg in seiner Slawenchronik nicht mehr deuten. 1610 behauptete der Neubrandenburger Rektor Steinmeß, der sich „Latomus“ nannte, Rethra habe an der Stelle von Prillwitz gelegen, eine Ansicht, die dann jene merkwürdigen „Prillwitzer Idole“ nach sich zog, die lange hochbewundert, endlich doch als Fälschungen entlarvt wurden.
Erst im 19.Jahrhundert haben C.F.O. Mercker aus Alt-Rehse und Brückner aus Neubrandenburg ernsthaft nach Rethra zu suchen begonnen, nachdem zuvor der Schweriner Archivar Dr. Beyer gleichsam am Studiertisch Rethra mit der Fischerinsel verbunden hatte. Da hatte dann Mercker etwa zwischen 1867 und 1869 die „Brücke zu Rethra“ bei Wustrow ausgegraben. Danach suchte der Neubrandenburger Brückner das Slawenheiligtum.
Ihm folgte 1908 der Wasserbauingenieur Gustav Oesten, der bei Eisbohrungen auf dem „Ruhrbarg“ vor der Fischerinsel eine ausgedehnte Schicht Holzkohle fand, nachdem eine „Rethra-Kommission“ ihn, ebenso wie Virchow, von Feldberg weg, wo Rethra auch zeitweise gesucht wurde, zur Fischerinsel hinzog.

Ein besonderes, aber für diese Zeit und das germanenselige Herrenvolk-Denken ihrer Führer beredtes Geschichtsbewußtsein soll nicht unerwähnt bleiben. Als am 1. Juni 1935 während der Eröffnungsfeierlichkeiten für die „Führerschule für Deutsche Ärzte“ auch der Gauleiter von Meklenburg und Reichsstatthalter Hildebrandt redete, da war es für ihn ganz selbstverständlich, daß hier mit der „uralten Germanensiedlung Rethra“ ein Bollwerk gegen die Slawen bestand. Im Übrigen käme der durchaus germanische Name „Wenden“ von dem bekannten Stamm der Vandalen her.

Eine kleine, sicher nicht vollständige Aufstellung der Orte, bei denen Rethra gelegen haben soll, mag die lange Unsicherheit und Ungewißheit deutlich machen:
Demmin a.d. Peene 1379; Röbel a.d. Müritz  1519; Burg Stargard  1519; Faulenrost a.d. Ostpeene  1521; Malchow  1610; Prillwitz a.d. Lieps  1610; Loitz a.d. Peene  1698; Gransee  1724; Gadebusch a. Fluß Radegast  1724;  Alt-Rehse a. Tollense-See  1724;  Rehna a. Fluß Radegast  1753;  Wolgast  1753;  Löcknitz a.d. Randow  1753;  Groß Helle  1753;  Treptow a.d. Tollense  1840;  Wanzka  1847;  Himmelpfort  1847;  Kl. Nemerow a. Tollense-See  1847;  Broda a. Tollense-See  1861;  Stargard i. Pommern  1861;  Fischerinsel i. Tollense-See  1867;  Die Lieps  1875;  Rieth a. Neuwarper See  1878;  Wustrow a. Tollense-See  1878;  Carwitz b. Feldberg  1881;   Conow b. Feldberg  1881;  Lenzen a.d. Elbe  1885;  Feldberg  1921;  Rothemühl  1953;  Gnoien  1968;  Gatscheck a. Tollense-See  1971;  Lassan  1973.  Die Jahreszahlen benennen das Jahr der Erstveröffentlichung.

Neben bemerkenswerten Funden, historischen Belegen und logischen Überlegungen gab und gibt es bis heute – und ein Ende ist angesichts neuer dänischer Behauptungen noch nicht abzusehen – auch zahlreiche, von Lokalpatriotismus und Wunschdenken bestimmte Lokalisierungen dieses geheimnisumwitterten sagenhaften, einst so bedeutenden und machtvollen Heiligtums. Heute bestreitet niemand mehr ernsthaft, daß dieses Rethra im Raum zwischen Fischerinsel und Lieps gelegen hat. Nur die strenge Lokalisation ist noch strittig.
Setzen wir uns für einige Zeit bei Wustrow nachdenkend an den Strand und schauen hinüber zur schilfumsäumten, baumbestandenen, noch immer das alte Fischerhaus tragenden Fischerinsel, die aus der
Wustrower Bucht auf einer Stauchmoräne herausragt und hören und sehen wir, was einer der begeistertsten und emsigsten, nachdenklichsten und fast besessenen, aber zugleich bestrittenen Forscher zu Rethra, der „Hobby-Archäologe“ Hartmut Boek, uns aus seiner Sicht erzählt und zeigt. Soll doch endlich auch ihm, neben den mitunter recht nackenstolzen Gelehrten, Gelegenheit gegeben werden, seine aus emsigsten Untersuchungen und unverbildeter Denkweise entstandene Sicht zu zeigen:


 Tagebuch Fischerinsel, vom 20.6.1977, 7.00 Uhr:
„ - - - Außerdem zeichnet sich an der äußersten Nordostspitze im Schilf eine auffällige rechteckige Fläche ab mit ca. 3 Meter breiten Feldern auf einer Linie zur Insel. Bei aller Vorsicht möchte ich annehmen, daß dort mal ein großes Gebäude gestanden hat: der Rethra-Tempel ??“

Tagebuch Insel, vom 28.6.1977 20.20Uhr:
„ - - - Jürgen hat gestern vom Kutterdach aus Fotos von „meinem“ Tempel im Schilf gemacht. Wir haben dort gestern zu graben begonnen: eine Schinderei durch das dicke Schilfwurzelwerk und bisher ohne Ergebnis.“

Tagebuch Insel vom 26.7.1977, 16.ooUhr:
„ - - - An Wassergraberei ist dieses Jahr wohl nicht mehr zu denken, denn es müßten Tage mit 30 Grad kommen, damit’s Wasser warm wird. Auffallend ist die Nordspitze der Insel: seltsamerweise wächst die bislang freie Fläche – „mein Tempel“ – jetzt verspätet mit jüngerem Schilf zu. Möchte gar zu gern mal dort graben!“

Wo lag Rethra – fragt Hartmut Boek. Und er antwortet ehrlich:

“ Ich weiß es nicht! Alles, was ich zur Beantwortung dieser Frage beitragen kann, sind eine Reihe von Vermutungen, die aber nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Deshalb will ich mich trotz meiner Laienhaftigkeit zu einigen archäologischen Gegebenheiten und Erkenntnissen über die Fischerinsel im Tollensesee und den ihr vorgelagerten sog. Ruhrbarg oder Rohrberg äußern.(-) Meine Vermutung, daß das vielgesuchte Rethraheiligtum auf dem Ruhrbarg nordöstlich der Fischerinsel gestanden hat und abbrannte, basiert auf einem Foto vom 4.7.1977. „Entdeckt“ habe ich dieses Rechteck im Schilf auf dem Ruhrbarg exakt am 20.6.1977, als ich mich morgens einfach nur so aus Routine mit meinem damaligen Kutter „Riedegost“ am Ostufer der Fischerinsel von der leichten Strömung treiben ließ, auf dem Dach des Ruderhauses stand und Ausschau hielt nach „Löchern im Schilf“ – weil ich mitbekommen hatte, daß sich Reste der kleinen Holzhäuser aus alten Tagen noch heute durch gestörtes Wachstum des Schilfs im Schilfgürtel der Insel als Vierecke von ca. 4 x 4 Metern abzeichnen.
Und plötzlich lief’s mir kalt über den Rücken an diesem Morgen, denn ich „sah“ etwas, was ich zwar suchte, aber weder beim Baden noch vom kleinen Beiboot  aus sehen konnte, weil mir die „Über-Sicht“ fehlte: ich sah vom Dach des Kutters aus ein rechteckiges Loch im Schilf, das nach späteren
Vermessungen ca. 40 x 14 Meter groß war, sich klar abzeichnete . . . Ich ahnte, was ich „schaute“, begriff und war ergriffen! Anfang August 1977 machte ich dann ein Farbdia vom Ruhrbarg mit „Loch“, das ebenfalls zu denken gibt: die im Juli noch fast leere Mitte war im Nachhinein zugewachsen mit jungem hellerem Schilf, das sich klar abzeichnete gegen das höhere und ältere, dunklere Schilf im Rechteck. Die Parallele zum „altslawischen Tempel Groß Raden“ war erkennbar, nur mit dem Unterschied, daß das Rechteck auf dem Ruhrbarg 4- bis 5-mal größer ist.
Daß auf dem Ruhrbarg im Seegrund eine Schicht Holzkohle lagert, ist durch Bohrungen Gustav Oestens vom Eis aus zu Beginn unseres Jahrhunderts nachgewiesen
.
Das kleinste Tor der Inselburg „blickt nach Osten“ – oder etwas poetischer: gen morgen oder Sonnenaufgang. Svarozyc, dem das Heiligtum geweiht war, ist der Sohn des Sonnengottes . . .
Bekannt ist durch die Ausgrabungen zu Beginn dieses Jahrhunderts und 1969 auf der Fischerinsel, daß dort eine jungslawische Burg stand, die zeitlich in etwa zum urkundlich erwähnten castrum Wustrow von 1170 passen würde. Diese jungslawische Burg oder doch mit Palisaden und Wachtürmen geschützte Siedlung wurde auf einem Balkenrost errichtet, der heute noch im Moor erhalten ist. Durch meine jahrelange Unterwassersuche stieß ich am Ostufer auf zahlreiche Pfähle, teils einzeln, teils doppelt, die erkennbar in mehreren Reihen parallel zum Ufer im Seegrund steckten, etwas
herausragen, so daß man sie beim Baden mit den Füßen „entdecken“ kann, sie sind aber bei klarem Wasser im Spätherbst auch zu sehen samt Verlauf. Ich habe diese Pfahlreihen über 34 Meter hinweg verfolgen können und eingemessen samt Tiefe – und bin dabei zu der Erkenntnis gekommen, daß sie nicht zu der jüngeren Burganlage auf dem Balkenrost gehören können, weil sie beim Wasserstand im Spätsommer bei ca. 130 bis 140 cm Wassertiefe liegen; eine Ebene, die unterhalb des Balkenrostes mit dem castrum Wustrow darauf liegt. Anders gesagt: diese tieferliegenden Pfahlreihen, zwischen denen sich gevierteilte Eichenstämme in Längsrichtung erkennen lassen (ein Exemplar davon steht noch heute im Haus auf der Insel), gehören zu einer Anlage mit Holz-Erde-Kasten-Mauer, die älter sein muß als das castrum Wustrow von 1170. Kann das die Burg Rethra gewesen sein, die Thietmar 1015 beschrieb? Mag’s schwierig und teuer werden, den Ruhrbarg eines Tages zu erforschen durch Bohrungen, kleine Grabungsschnitte unter Wasser; außerdem ist die Insel samt Ruhrbarg Teil des Naturschutzgebietes Nonnenhof, brüten dort zahlreiche Wasservögel;  solange das Geheimnis des Ruhrbargs nicht gelüftet ist, wird er als blinder Fleck aller Rethra-Hypothesen fortbestehen, obwohl er vielleicht das „Zeug“ enthält, zum I-Punkt und Abschluß der Rethra-Forschung zu werden.In den Volkssagen, die Richard Wossidlo sammelte, heißt es u.a., daß der goldene Gott Rethras noch heute in der Nähe des Ruhrbargs unter Wasser liegen soll! Weiß man’s?“

Soweit in sehr kurzen Zügen Hartmut Boek, der in vielen Jahren bei Wind und Wetter auf der Insel in dem alten, 1729 wiedererbauten Fachwerkhaus gelebt und gearbeitet hat und rund um die Fischerinsel zahlreiche Kleinfunde aber auch interessante andere Einzelheiten barg. Das soll die Forschungen der Anderen keinesfalls schmälern oder gar in Abrede stellen; es soll nur nachdenken helfen.
Wer im zeitigen Frühjahr oder Herbst von Wustrow aus zur Fischerinsel hinüberblickt, kann das alte, vom Verfall bedrohte Gebäude noch erkennen. Es geht dem Häuschen wohl wie seinem Vorgänger, von dem im Ratsprotokoll der Stadt Neubrandenburg unter dem 15.Februar 1729 einiges zu lesen ist.
Nach einem alten Receß stand schon zu Beginn des 17.Jahrhunderts ein Fischerhaus auf der Insel. Wer weiß, was die Bauleute damals alles vorgefunden haben? Doch sind Gutachten und Meinungen des früheren Bezirksdenkmalspflegers Schumacher zu den Forschungen Boeks und den harschen Meinungen seiner Gegner von einiger Bedeutung, wenn er, bezugnehmend auf gegensätzliche aber durchaus unsachliche Stellungnahmen, schreibt: “
Entsprechend mager waren einige Ergebnisse dieser „Stellungnahmen“.  Man könnte sie mit dem Zitat von Heinrich von Kleist umreißen: Er ging herum mit Worten wedelnd, mir fiel das Sprichwort ein vom heißen Brei.“
Boeks langjährige Bemühungen um den „Rethra-Standort Fischerinsel“ fanden bisher nur ungenügende Würdigung. Zahlreiche Unterwasserfunde, Stichgrabungen und Einmessungen des unermüdlich Suchenden können Hinweis und Anlaß zu weiteren Untersuchungen sein, doch ruhen, einesteils wegen mangelnder Mittel und andererseits, weil die Forschungskapazität
gegenwärtig anders gebunden ist, ernsthafte Bemühungen. 

Vielleicht interessiert es, daß der russische Komponist Rimski-Korsakow eine Ballettoper „Mlada“ geschrieben hat, die sich mit dem Rethra-Thema befaßt.

 

Nun hat jüngst Rainer Szczesiak, einer der Unermüdlichen, seine Überlegungen neben die Kenntnis des Bisherigen gestellt und in einem Büchlein auf nachdenkenswerte Weise vorgestellt. Und wenn er dabei, fast nebenher, die Frage aufwirft, warum die „Schön-Reda-Sagen, die Wossidlo, der Unermüdliche sammelte, nur in diesem Raum um Lieps und Tollense-See zu finden sind und ob möglicherweise der große See einst anders hieß, dann, so meine ich, will er uns nur anregen, weiterzusuchen, nicht nachzulassen.

Der große See aber schlummert oder wühlt in seinem Jahrtausende alten Bett und wartet, daß er auf verträgliche Weise von den Menschen erobert und mit seiner Schönheit und Geschichte zu ihrer Erholung dienen kann. Vielleicht ist eines Tages wieder Geld übrig, damit die Ausgrabungen auf der Fischerinsel fortgesetzt werden können. Derweil aber raunen die Sagen und spinnen ihre Geschichten.

 

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